Wettbewerbsorientierte Preisbildung: Chancen und Risiken im direkten Vergleich
Die wettbewerbsorientierte Preisbildung orientiert sich primär an den Preisen der Konkurrenz – entweder als direkter Vergleich oder über das Einordnen in ein strategisches Preisniveau innerhalb des Marktes. Dieses Verfahren ist besonders dort verbreitet, wo die Markttransparenz hoch und die Produkte vergleichbar sind.
Was auf den ersten Blick als pragmatische Lösung erscheint, bringt klare Chancen, aber auch nicht zu unterschätzende Risiken mit sich: Unternehmen können zwar schnell auf Marktveränderungen reagieren, laufen jedoch Gefahr, in reaktive Preismechanismen zu verfallen, die weder den eigenen Kosten noch der Zahlungsbereitschaft der Kund:innen gerecht werden.
In diesem Beitrag wird erläutert, wie wettbewerbsorientierte Preisbildung funktioniert, in welchen Märkten sie sinnvoll ist und wie sie strategisch abgesichert werden kann, um Preisverfall und Margenverluste zu vermeiden.

Was bedeutet wettbewerbsorientierte Preisbildung?
Die wettbewerbsorientierte Preisbildung richtet den eigenen Preis gezielt an den Preisen der Wettbewerber:innen aus. Anders als bei kosten- oder nachfragebasierten Verfahren stehen hier externe Marktdaten im Fokus: Was verlangen andere Anbieter für vergleichbare Produkte oder Leistungen?
Dabei lassen sich zwei Formen unterscheiden:
Direkte Wettbewerbsanpassung:
Der eigene Preis wird unmittelbar in Relation zu einem Hauptwettbewerber gesetzt – beispielsweise „10 % günstiger als Anbieter X“ oder „gleicher Preis wie Marktführer Y“.
Indirekte Wettbewerbsorientierung:
Die Preissetzung folgt einem angestrebten Marktsegment oder einer Preisposition, ohne sich auf ein konkretes Unternehmen zu beziehen (z. B. „Premiumsegment“, „Einstiegsniveau“).
Diese Form der Preisbildung ist besonders dort verbreitet, wo Markttransparenz hoch und Produkte stark vergleichbar sind. Doch sie birgt strukturelle Risiken, wenn sie isoliert eingesetzt wird.
Typische Anwendungsbereiche
Wettbewerbsorientierte Preisbildung findet vor allem in Märkten Anwendung, in denen:
- hohe Vergleichbarkeit herrscht (z. B. Standardprodukte, Plattformgeschäft, Einzelhandel),
- Preistransparenz gegeben ist (etwa durch Vergleichsportale, Online-Marktplätze oder öffentliche Ausschreibungen),
- eine starke Preissensibilität auf Kundenseite existiert (z. B. im Commodities-Handel, bei Handelsmarken oder Logistikdienstleistungen).
Auch in Markteintrittssituationen oder bei Preisaktionen ist sie ein gängiges Mittel, um sich zu positionieren – beispielsweise durch Unterbieten etablierter Marktpreise, um Aufmerksamkeit zu erzielen oder Marktanteile zu gewinnen.
Chancen wettbewerbsorientierter Preisbildung
Schnelle Reaktion auf Marktveränderungen
Wettbewerbsorientierte Preisstrategien ermöglichen eine dynamische Anpassung an neue Preisrealitäten – insbesondere bei kurzfristigen Preisbewegungen oder aggressiven Wettbewerbsaktionen.
Orientierung bei Unsicherheit
Für neue Produkte, Märkte oder Zielgruppen ohne belastbare Datenbasis bieten Wettbewerberpreise einen ersten Anhaltspunkt zur Marktnavigation.
Positionierung in Preissegmenten
Die bewusste Platzierung in einem Preisband (z. B. unterhalb der Premiumanbieter oder oberhalb des Basissegments) kann strategisch sinnvoll sein, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen – solange dies mit Leistungs- und Markenversprechen übereinstimmt.
Reduktion von Preisschwellen
Ein knapp unter dem Hauptwettbewerber gesetzter Preis kann bei stark preissensibler Kundschaft die Kaufentscheidung erleichtern – insbesondere bei austauschbaren Produkten oder homogenen Leistungen.
Risiken und Fehlanreize
Margenverfall durch Preisspiralen
Eine einseitige Ausrichtung auf den Wettbewerb führt schnell zu Reaktionen auf Preissenkungen – ohne strategische Grundlage. Das Ergebnis: eine schleichende Preisspirale, bei der alle Beteiligten verlieren.
Verlust der Differenzierung
Wer nur auf den Wettbewerb schaut, verliert die eigene Positionierung aus dem Blick. Die Preislogik wird extern vorgegeben – nicht intern entwickelt. Markenversprechen, Leistungsmerkmale und Kundenbindung geraten ins Hintertreffen.
Übernahme fremder Strukturen
Wettbewerber arbeiten mit anderen Kostenmodellen, Skaleneffekten oder Vertriebswegen. Wer deren Preise übernimmt, übernimmt unbewusst auch deren Kalkulationslogik – was die eigene Wirtschaftlichkeit untergraben kann.
Reaktive Preissetzung statt strategischer Steuerung
Wird der Preis primär vom Wettbewerb bestimmt, verliert das Unternehmen an Steuerungsfähigkeit. Pricing wird zur kurzfristigen Reaktion, nicht zur langfristigen Führungsaufgabe.
Strategische Leitplanken zur Absicherung
Damit wettbewerbsorientierte Preisbildung kein Selbstzweck wird, braucht es klare Regeln und strategische Einbettung:
Wettbewerb als Referenz, nicht als Maßstab
Wettbewerbspreise sollten als eine Einflussgröße betrachtet werden, nicht als alleinige Grundlage. Wichtig ist die Kombination mit Informationen zur Zahlungsbereitschaft, zu Wertwahrnehmung und zur eigenen Kostenstruktur.
Marktbeobachtung strukturieren
Systematische Wettbewerbsbeobachtung liefert wertvolle Erkenntnisse, etwa über Preisveränderungen, Rabattaktionen oder Angebotsverknüpfungen. Diese Informationen können in Preisstrategien integriert werden, sollten aber nicht automatisch übernommen werden.
Differenzierung statt Preiskopie
Der Fokus sollte auf einer eigenständigen Preispositionierung liegen, etwa über Serviceleistungen, Qualitätsversprechen, Zusatznutzen oder flexiblere Zahlungsmodelle.
Verantwortung klar definieren
Die operative Reaktion auf Wettbewerberpreise (z. B. im Vertrieb oder E-Commerce) sollte klar geregelt und limitiert sein. Ohne Rahmen entstehen Preisentscheidungen, die kurzfristig wirken – aber langfristig schaden.
Fazit: Wettbewerbsorientierung als Teil, nicht als Zentrum der Preisstrategie
Wettbewerbsorientierte Preisbildung ist in vielen Märkten unverzichtbar, aber sie darf nie zur alleinigen Entscheidungsbasis werden. Wer Preise nur an anderen ausrichtet, verliert schnell den eigenen Kurs.
Richtig eingesetzt ist die Orientierung am Wettbewerb ein sinnvolles Korrektiv, ein Impulsgeber, ein Frühwarnsystem. Doch die eigentliche Aufgabe bleibt:
Den eigenen Wert verstehen, kommunizieren und selbstbewusst bepreisen.
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